Drei Gelegenheiten

Drei Gelegenheiten
Aus obigem Sprichwort leitet sich ab, dass es mindestens drei Gelegenheiten gibt. Fangen wir mit der drittbesten an, nämlich die in 20 Jahren.

Die drittbeste Gelegenheit

In einem anderen Beitrag habe ich geschrieben, dass die größte Gefahr im Leben die ist, dass man zu vorsichtig wird. Wer zu vorsichtig ist, verpasst eine Gelegenheit nach der anderen, weil er die Chancen zum einen nicht erkennt, zum andern nicht wahrnimmt.

Ich wollte mein halbes Leben lang fliegen lernen. Als Kind durfte ich mit dem Patenonkel meines jüngeren Bruders dreißig mal in seinem Propellerflugzeug mitfliegen. Manchmal waren es Ausflüge in den Jura oder ins Schweizer Mitteland. Manchmal bloß »Benzinflüge«, die uns auf den ein paar Kilometer entfernten Flugplatz Blotzheim führten und dann wieder zurück, nicht ohne eine Platzrunde gedreht zu haben. Hin und wieder konnte ich ihn anläßlich solcher Kurzflüge dazu erweichen, noch einen Abstecher zu unserem Dorf zu machen und über unserem Haus mit den Flügeln zu wackeln.

Als ich erwachsen war, wurde ich immer vorsichtiger. Der Wunsch zu fliegen brannte immer noch in meinem Herzen, aber ich ließ mich von allen möglichen Gründen davon abhalten, es anzupacken. Jetzt ist es zu spät; die Lust dazu ist vergangen und mit dem Schreiben habe ich eine mindestens so schöne Berufung gefunden.

Die zweitbeste Gelegenheit

Wenn ich heute auf eine Chance stoße, die ich schon früher hätte packen sollen, ist heute die zweitbeste Gelegenheit, einen Traum wahr werden zu lassen. Einen »Baum pflanzen« kann man durchaus als Metapher verstehen. Schon der Kirchenmann Martin Luther benutzte die Metapher vom Apfelbaum. Wenn man einen Baum pflanzt, muss man ihn erst einmal ein paar Jahre hegen und pflegen, bevor er die ersten Früchte abwirft. Mitunter dauert es ein halbes Menschenleben, bis der Baum, den man in der Jugend gepflanzt hat, zu dem geworden ist, was man sich davon erträumt hatte.

Im Jahre 2006 zogen wir in das Haus ein, das wir heute noch bewohnen. Ein Jahr später, die neue Trockensteinmauer war gerade fertiggestellt, pflanzten wir hinter der ebenfalls neuen Windschutzwand eine 70 cm hohe schmale Eibe. Jetzt, acht Jahre später, schaut ihre Spitze über die Windschutzwand hinaus. Wenn sie weiterhin pro Jahr 10 cm in die Höhe wächst, dauert es nochmals 15 Jahre, bis sie eine eindrucksvolle Pflanze abgibt.

Die beste Gelegenheit

Das ist die schlechte Nachricht. Die war vor zwanzig Jahren. Damals hatte ich geschlafen, war zu vorsichtig, habe gezaudert, wollte mich nicht entscheiden, hatte keine Zeit oder ließ mich von anderweitigen Gründen davon abhalten, meinen Traum zu leben.

Die beste Gelegenheit, mit Schreiben anzufangen, liegt bei mir noch weiter zurück. Schon als Kind machte ich Notizen auf Karteikärtchen zu Figuren und Szenen, um daraus eine Detektivgeschichte zu schreiben. Als ich in der Handelsschule das Schreibmaschinenschreiben lernte, begann ich einen Science Fictionroman zu schreiben, der jedoch nach der ersten Szene stecken blieb. Warum blieb ich nicht dran, holte mir Hilfe oder fragte meine Lehrer um Rat, wie man schreibt?

Die gute Nachricht ist, dass es fast nie zu spät ist, solche verlorengegangenen Träume wieder aufleben zu lassen. Meine schriftstellerischen Fähigkeiten wurden befreit, als ich dank Internet und Amazon Kindle Schreibratgeber fand, die verhinderte Schreiberlinge, wie mich, an der Hand nahmen und auf die grüne Wiese des Romanschreibens führten.

Wo stehst Du auf der Gelegenheitsskala?

Gibt es etwas, das Du vor 20 Jahren schon gerne investiert hättest, aber nicht konntest? Hör auf, der verpassten Gelegenheit nachzutrauern, und schau nach vorne, ob es heute oder morgen eine Möglichkeit gibt, Deinen alten Traum wiederaufleben zu lassen und Deinen Apfelbaum zu pflanzen.

Trugst Du vor 20 Jahren noch Windeln? Dann ist jetzt die beste Gelegenheit, Träume anzupacken und darauf hinzuarbeiten, dass sie wahr werden.

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